Kolumbien: Katastrophale Arbeitsbedingungen: Kohle aus El Cerrejon

Im größten Steinkohlebergbau Lateinamerikas El Cerrejon arbeiten über 10.000 Menschen. Die Mehrheit als Leiharbeiter, viele mit einem Monatslohn von etwa 250 Euro, bei 48 Wochenarbeitsstunden. Die Mine ist im Besitz des globalen Rohstoffmultis Glencore aus der Schweiz. Die Kohle wird fast komplett exportiert, u.a. auch nach Deutschland. Das Steinkohlekraftwerk Datteln wird damit beliefert.  Die Arbeitsbedingungen der Kumpel sind katastrophal.

Ein festangestellter Kumpel berichtet: „Man arbeitet unter Druck, das zermürbt mental. Der Aufseher, das Funkgerät, die Zentrale, die Sekunde für Sekunde den Lkw überwacht. Bei einem Schaden, zum Beispiel ein platter Reifen, weil man einen Felsbrocken übersehen hat, wird man gleich verwarnt.“ Noch während der Pandemie versuchte Glencore wegen der radikal gesunkenen Nachfrage Tausende Arbeiter loszuwerden. Diejenigen, die übrig blieben, müssen in belastenden 12-Stunden-Schichten arbeiten. Es gab in den letzten Jahren mehrere Arbeitsunfälle. Die Kumpel leiden unter chronischen Schlafstörungen. In der firmeneigenen Klinik auf dem Betriebsgelände lassen sie sich aber ungern behandeln. Es gibt da Klüngelei, damit die Ärzte uns nicht krankschreiben. Kollegen wurden nach Arbeitsunfällen ohne Diagnose nach Hause geschickt. Aber woanders wurden dann Schäden an der Wirbelsäule oder innere Verletzungen festgestellt. Besonders schlimm sei die Luftverschmutzung. Gelegentlich werde zwar Wasser versprüht, um den Staub zu binden, aber Wasser ist rar. Die Provinz La Guajira leidet vielerorts an Trockenheit. Der Wasserverbrauch der Mine steht in der Kritik. Ein Kumpel berichtet: „Ich selbst habe von der Arbeit im Bergwerk Asthma bekommen, wegen einer chronischen Entzündung wurde ich schon dreimal an den Nasenmuscheln operiert. Alles wegen der Verschmutzung.“  Leobardo Sierra, Volk der Wayú, die seit Jahrhunderten diese Region besiedeln berichtet: „All diese Berge sind Abraum, vergiftetes Geröll. Das ist unfruchtbar. Das Einzige, was da wächst, sind Wüstenbäume, die wenig zum Wachsen brauchen. Aber wenn man eine Eiche pflanzen würde, würde sie nach einer Woche sterben.“ Leobada spricht von 4400 Hektar Abraum aus vergangenen Jahrzehnten des Bergbaus, die aus der Ferne durch die knorrigen, aber grünen Wüstenbäume einen vermeintlich bewaldeten Eindruck machen. Er sagt: „Die Erde ist absolut steril.“ Mit 300.000 Menschen bilden die Wayú die größte indigene Gruppe Kolumbiens. Leobardo und sein Dorf trennen nur noch wenige Hundert Meter von der wachsenden Kohlemine. Der Bruno – hier mit seinem wenige Meter breiten Verlauf noch eher ein Bach – wird von Cerrejón bedroht. Für Leobardo und seine Gemeinschaft ist er lebensnotwendig. Leobardo sagt: „Cerrejón will den Fluss austrocknen, um hier Kohle abzubauen. Schon bei der ersten Umleitung wollten sie das, um von hier bis ins Tal Kohle zu fördern. Sie konnten sich aber nicht durchsetzen und seitdem sind wir im Widerstand, damit sie weder Kohle fördern, noch den Fluss umleiten und erst recht uns nicht vertreiben“. 2016 wurde Bruno dennoch teilweise umgeleitet. Nicht der erste krasse Eingriff der Minenbetreiber in die Natur. Über 15 Wasserläufe wurden in den letzten Jahren für den Bergbau umgelegt oder sind heute unbrauchbar für Menschen und Landwirtschaft.  Mehrfach wurde das Unternehmen von kolumbianischen Gerichten für Umweltvergehen verurteilt. Zuletzt hatte gar der Sonderberichterstatter für Menschenrechte und Umwelt der Vereinten Nationen eine Schließung der Mine empfohlen. Auch haben kolumbianische Umweltschützer in der Schweiz Beschwerde gegen Glencore eingereicht.  Aber weder dort noch in den Abnehmerländern wird konkret auf die Situation am anderen Ende der Energielieferketten reagiert. Rohstoffabbau in Kolumbien solle „sozial, nachhaltig, menschenrechtskonform“ sein, hieß es zuletzt im Deutschen Bundestag. Dennoch hat sich Kanzler Olaf Scholz persönlich um höhere Lieferquoten bemüht.  Opferzone – „Zona de sacrificio“: Der Begriff wird in Lateinamerika häufiger verwendet. Für Gebiete, die Industrie oder Bergbau zum Opfer fallen. In Europa kam er im Zuge der Tschernobyl-Katastrophe auf, für langfristig nicht mehr bewohnbare, vergiftete Landstriche. Greylis aus dem afrokolumbianischen Dorf Roche wurde nach jahrzehntelangen Verhandlungen mit Cerrejón mit anderen Familien unter Polizeigewalt zwangsumgesiedelt. In kleine Fertigbaureihenhäuser in der Stadt oder auf trockene, für die Viehzucht unbrauchbare Ländereien.  Cañaverales ist eine kleine ländliche Siedlung ein paar Kilometer südlich von Cerrejón. Dort will ein türkischer Konzern eine neue Kohlemine eröffnen. Als erstes von drei geplanten Bergbauprojekten.  Amarylis Llanos , Anwältin und Umweltaktivistin in der Region hat bereits erfolgreich ein Netzwerk gegen Fracking geknüpft, das ebenso in der Kohleabbauregion La Guajira vorgesehen ist.  „Mit einer Klage von unserer Anti-Fracking-Allianz wurde die Lizenzierung ausgesetzt. Allerdings nicht die Fracking-Testbohrungen, die von der letzten Regierung in Betrieb genommen wurden“, erklärt sie. Die neue Regierung unter Präsident Gustavo Petro hat dem Fracking zwar eine klare Absage erteilt und sich zum beschleunigten Ausbau von erneuerbaren Energien bekannt. Aber in den Kohleexportprovinzen Cesar und La Guajira sind die Menschen skeptisch, und das aus gutem Grund. Trotz millionenschwerer Steuereinnahmen und Versprechen von Wohlstand und Entwicklung gehören sie zu den ärmsten Regionen des Landes.  Es ist auch kein Geheimnis, dass es einen direkten Bezug zwischen Bergbau – zumindest hier in der Region – und Gewalt gibt. Es gibt zahlreiche Zeugenaussagen dazu, wie Konzerne bewaffnete Banden bezahlt haben, um Gewerkschafter umbringen. „Wir haben so schlechte Erfahrungen mit dem klassischen Bergbau bei der Kohle gemacht, dass wir jetzt von diesen Fracking-Projekten nichts Besseres erwarten können. Und erst recht nicht, wenn es sich wie beim Fracking um eine Technik handeln, die so schwere Auswirkungen auf die Natur mit sich bringt.