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Deutschland: Offener Brief an den Landesumweltminister NRW

An das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt,
Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein Westfalen
Schwannstrasse 3
40476 Düsseldorf

Sehr geehrter Herr Remmel,
sehr geehrter Herr Odenkirchen,

wir haben Ihren Brief vom 6.6.2016 zum Thema Giftmüll und PCB Unter Tage am Linken Niederrhein erhalten und bedanken uns für die ausführliche Darlegung.

In Ihrem Antwortbrief bestätigen Sie alle von unserem kommunalpolitischen Bündnis seit längerem in der Öffentlichkeit vorgebrachten Fakten:

• Sie bestätigen, dass „erhebliche PCB Belastungen im Bereich des ehemaligen Bergwerkes West .. auf der 885 m Sohle" vorhanden sind. Allerdings vermissen wir in Ihrem Brief die Erwähnung der Tatsache, dass diese „erheblichen PCB Belastungen" in verantwortungsloser Weise nicht ordnungsgemäß und vorschriftsmäßig entsorgt sondern mit Kenntnis des Oberbergamtes einfach mit Beton zugekippt wurden. Diese „erheblichen PCB Belastungen" auf der 885 m Sohle waren den Behörden der Landesregierung bekannt, bevor diese Strecke geflutet wurde. Die Gefährdung des Grundwassers wurde bewusst und mutwillig von der Ruhrkohle AG betrieben und von den Landesbehörden in Kauf genommen.
• Auch die Berechtigung unserer Forderung, „dass die Pumpmaßnahmen am linken Niederrhein umgehend wieder aufgenommen werden" wird von Ihnen im Prinzip anerkannt. Sie schreiben: „Derzeit wird durch das Umwelt- und das Wirtschaftsministerium in technischer und rechtlicher Hinsicht geprüft, ob und in welchem Umfang Maßnahmen in Bezug auf die Grubenwasserhebung ... erforderlich sind." Allerdings halten wir es für unverantwortlich, mit solchen Maßnahmen noch weiter abzuwarten. Wie Ihnen sicherlich bekannt ist, können PCB und Dioxine – einmal ins Grundwasser gelangt – nicht mehr daraus entfernt werden. Mit PCB und Dioxinen verseuchtes Grundwasser ist über Jahrzehnte für Mensch und Tier ungenießbar. Auch wenn heute natürlich noch kein PCB und Dioxin in den Trinkwasservorräten am Linken Niederrhein nachweisbar ist muss deshalb der vorbeugende Schutz unserer Trinkwasservorräte oberstes Gebot sein. Das von Ihrem Ministerium vorgeschlagene Abwarten „unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit" zu Gunsten der Ruhrkohle AG halten wir für verantwortungslos.
• Schließlich wird von Ihnen auch bestätigt, dass „der Standort Rossenray in der Teilprovinz West .. zum Sicherungsstandort ausgebaut" wurde, daher die Wiederaufnahme der Pumpmaßnahmen möglich ist und lediglich den Einbau entsprechender Pumpen und überirdischer Leitungssysteme erfordert.
• Nicht eingegangen sind Sie in Ihrem Antwortbrief leider auf die von der RAG eingebrachten Giftmüllmassen im Umfang von hunderttausenden Tonnen in etwa 800 Meter Tiefe im Binsheimer Feld (Trinkwasserschutzgebiet) zwischen Duisburg - Baerl und dem Rhein. Diese Giftmüllmassen wurden insbesondere in der Amtszeit der damaligen Umweltministerin Bärbel Höhn von der Schachtanlage Walsum aus eingebracht. Sie wurden inzwischen durch die RAG mit Genehmigung der Landesbehörden geflutet. Völlig zu Recht schreibt dazu Professor Dr. Carls als Geologe: „Wo Wasserwegsamkeiten ... sich nicht ausschließen lassen darf man keine Bruchhohlraumverfüllung betreiben". Dem können wir uns als kommunalpolitisches Bündnis nur anschließen.

Die Gefahren von PCB für den Menschen sind Ihnen bekannt. PCB sind organische Chlorverbindungen und stehen im starken Verdacht, karzinogen (krebsverursachend), mutagen (Erbgut verändernd) und teratogen (Foeten schädigend) zu wirken . Ihre Gefährlichkeit resultiert vor allem aus der Bioakkumulation (Anreicherung in Lebewesen), Persistenz (Langlebigkeit), hoher Toxizität (Giftigkeit) sowie der Möglichkeit zum Ferntransport (z. B. in der Nahrungskette oder durch andere Mechanismen).
Angesichts dieser Gefahren durch PCB können wir Ihre Aussage nicht akzeptieren, dass „ein Anhalten des Grubenwasseranstieges in der Teilprovinz West .. bis zur Fertigstellung des Landesgutachtens Ende 2017 nach Aussagen der RAG nicht realisierbar" sei. Wir sind nicht bereit es hinzunehmen, dass Ihr Ministerium sich hier nach den „Aussagen der RAG" richtet und nicht nach den Lebensinteressen der Bewohner des Linken Niederrheins.

Nicht hinnehmbar ist Ihre Berufung auf die Behauptung des Landesgutachters Professor van Berk, dass es „eine Zeitdauer von mehreren Tausend bis mehreren Zehntausend Jahren" braucht, bis „eine pH-abhängige Freisetzung von Zink und Blei einsetzen ...". Daraus schließt ihr Ministerium, dass beim PCB und Giftmüll Unter Tage „vor Abschluss des Gutachtens und Vorliegen der notwendigen Ergebnisse" kein Handlungsbedarf bestehe.
Offensichtlich ist in Ihrem Hause hier das Zeitgefühl doch etwas verloren gegangen.
Wir erinnern daran, dass im Jahr 2004 in dem Gewässer „Fossa Eugeniana" beim niederrheinischen Rheinberg die PCB Belastung das „Qualitätsziel" um das 80 fache überschritten hat, diese Verseuchung wurde durch das Grubenwasser des Bergwerkes West verursacht.
In Westfalen wurde über Tage in den Klärteichen des Bergwerks Ibbenbüren eine 2 bis 3,5 fache Überschreitung der Qualitätsnormen für PCB festgestellt.
„An der Emscher wurden an fünf untersuchten Zechenstandorten in den Schwebstoffen der Grubenwassereinleitungen eines stillgelegten und eines noch aktiven Bergwerkes hohe Konzentrationen der Kongerene PCB 28 und 52 gefunden, die um ein Vielfaches über der Umweltqualitätsnorm lagen" heißt es im Bericht des NRW Wirtschaftsministerium vom Januar 2015. Nach dem Prinzip der größtmöglichen Verdünnung werden diese verseuchten Grubenwässer in die Emscher und zukünftig in den Rhein eingeleitet.
Da weder auf dem Bergwerk Ibbenbüren noch auf den Bergwerken an der Emscher und am Niederrhein „mehrere tausend bis mehrere zehntausend Jahre" Bergbau betrieben wurde scheint sich das PCB und der Giftmüll nicht an die Zeiträume Ihres Gutachters zu halten.

Durch Ihren Brief sehen wir als kommunalpolitisches Bündnis unsere Forderung nach umgehender Wiederaufnahme der Pumpmaßnahmen – beispielsweise über den „Sicherungsstandort Rossenray" vollständig bestätigt. Das kann natürlich nur ein erster Schritt sein bevor das verseuchte Erdreich herausgeholt und ordnungsgemäß entsorgt wird. Wir lehnen es ab, den Schutz der Trinkwasservorräte und der Gesundheit der Bevölkerung am Linken Niederrhein den Zeitvorstellungen Ihres Ministeriums mit „mehreren Tausend bis mehreren Zehntausend Jahren" unterzuordnen.

Dabei ist uns bewusst, dass - wie aus Ihrem Brief und ebenso aus den Protokollen des „begleitenden Arbeitskreises" zu dem von der Landesregierung beauftragten Gutachten hervorgeht – die Landesregierung und Ihr Ministerium derart eng mit den leitenden Gremien der Ruhrkohle AG durchdrungen ist und sich deren Interessen unterordnet, dass diese Forderung nur in energischen Protestaktionen der breiten Bevölkerung am Linken Niederrhein und Ruhrgebiet durchzusetzen sein wird. Dass es dazu kommt – dazu wird unser Bündnis seine ganze Kraft in die Waagschale werfen!

Mit freundlichem Glück Auf

2.8.2016
Im Auftrage des Vorstandes von NV Auf geht's
Lisa Wannenmacher , Stadtverordnete Michael May, NV Auf geht´s