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Indien: Massiver Ausbau der Kohleförderung mit Erpressung der Bewohner

In Indien wird vor allem im Tagebau Kohle gefördert. Der indigene Umeshwar Singh Armo vom Stamm der Gond berichtet: «Wir hören diese Explosionen fast jeden Tag». Durch die Explosionen wird die Kohle vom Gestein getrennt, was eine riesige Staubwolke nach sich zieht. «Unsere Häuser in den Dörfern bekommen durch die Erschütterungen Risse. Und unsere unterirdischen Wasservorräte werden zerstört.» Das sei sehr gefährlich, sagt Armo. «Es wird nicht mehr genug Wasser im Brunnen sein, um unsere Felder zu bewässern.

Und das Trinkwasser wird kontaminiert.» Seit 2013 ist die Mine in Betrieb. Für sie wurden Tausende Bäume gerodet – auf einer Fläche fast so gross wie die Stadt Freiburg. Denn die Kohlemine liegt mitten im besonders dichten und artenreichen Hasdeo-Wald, im Norden des zentral-indischen Bundesstaates Chhattisgarh. Vorwiegend Indigene wohnen am Rand des Tagebaus. Sie leben seit Generationen vom Wald. «Wir sind sehr traurig», sagt Umeshwar Singh Armo. «Wir leben von diesem Wald. Er gibt uns alles: Früchte, Holz, Schutz und Luft zum Atmen.» Obwohl 2009 das Umweltministerium in Delhi den gesamten Hasdeo-Wald zur «No-go-Area» erklärt – und damit zum Tabu für den Bergbau, wurde nur zwei Jahre später vom Umweltminister grünes Licht für die Kohleförderung gegeben. Davon Gautam Adani ist der grösste private Entwickler von Kohlekraftwerken und Kohleminen weltweit und hat sich auch das Recht auf Ausbeutung dreier Kohleminen im Hasdeo-Wald gesichert – im Auftrag der Regierung von Rajasthan. Durch seine enge Verbindung zur Modi-Regierung ist Adani zum reichsten Mann Indiens und einem der reichsten Menschen der Welt aufgestiegen. Shiv Prasad Kusro, Reisbauer sagt: «Eigentlich wollte ich mein Land nicht verkaufen.» Doch die Landkäufer versprachen viel Geld, umgerechnet 37’000 Franken – für ihn und seine beiden Brüder. So viel Geld hatte Kusro noch nie gesehen. Als er trotzdem zögerte, hätten Vertreter der Verwaltung und des Minenunternehmens Adani Druck gemacht: «Wenn du dein Land nicht verkaufst, bekommst du Ärger. Wir kommen mit dem Bagger und demolieren dein Haus. Und dann musst du laufen. Und niemand wird kommen und dich retten.» Dem Druck hielt Kusro nicht stand. Er wurde wie weitere 200 Familien umgesiedelt. Heute bereut Kusro den Entscheid sehr. Er hat keine Arbeit in der Kohlemine bekommen und schlägt sich jetzt als Tagelöhner mit Feldarbeit für andere durch. Die Kompensation für sein altes Land reichte gerade, um ein neues Lehmhaus zu bauen. Doch seine Familie und das Dorf sind zerstreut. «Früher hatten wir ein freies Leben», sagt Kusro. «Die ganze Grossfamilie wohnte zusammen. Heute leben meine Eltern, mein Bruder, meine Cousins alle getrennt voneinander. Wenn ich beim Essen sitze und daran denke, kommen mir die Tränen.» Kusro, Armo und vieler ihrer Stammesgenossinnen und -genossen wollen nicht, dass nach der ersten Kohlemine weitere Minen in Betrieb genommen werden. Seit rund zehn Jahren demonstrieren sie dagegen, jeden Tag. Sie sind überzeugt, dass der Landverkauf für die Minen in vielen Fällen mit Tricks erzwungen wurde. «Wenn unsere Dorfversammlung der Kohleförderung nicht zustimmt, dann darf sie hier nicht stattfinden», sagt Kusro. Im Fall der geplanten neuen Mine habe die Dorfversammlung nicht zugestimmt. Die Zustimmung der Waldbewohnerinnen und -bewohner sei gefälscht worden, kritisiert Ram Singh Armo. Er ist Chef seines Dorfes und Anführer der Demonstranten. Dass bei der Zustimmung zur Landnahme getrickst wurde, bestätigt auch Mukta Joshi, die Chef-Juristin des unabhängigen Thinktanks Land Conflict Watch in Delhi. «Es gibt Berichte, die bestätigen, dass die Zustimmung der Dorfbewohnerinnen und -bewohner gefälscht wurde. Eine solche Fälschung wäre eine sehr schwerwiegende Verletzung der Gesetze und des Selbstbestimmungsrechts der Indigenen, die auch die indische Verfassung garantiert», sagte die Juristin gegenüber SRF. Joshi kennt Fälle aus dem Hasdeo-Wald, bei denen die Zustimmung für den Landverkauf angeblich von Leuten erteilt wurde, die längst gestorben waren. Aus Protest gegen die Tricksereien marschierten Hunderte Indigene im letzten Herbst 300 Kilometer zu Fuss in die Hauptstadt Raipur. Die Lokalregierung akquiriert weiter Land für neue Minen. Und hat in einer Nacht-und-Nebel-Aktion noch mehr Bäume fällen lassen. Ein Regierungssprecher aus Raipur schiebt die Verantwortung von sich: Die Lokalregierung könne nichts machen, denn für die meisten Minen und für die Kohlepolitik sei die Zentralregierung in Delhi zuständig. Die Bäuerin Sunita Porte, eine vierfache Mutter, befürchtet, dass sie wegen der neuen Mine bald Haus und Ackerland verliert. Ihr Dorf würde unter der neuen Mine verschwinden. «Wenn sie die Kohle hier wegnehmen, wo sollen wir dann unseren Reis anbauen?», fragt Porte. Auch sie protestiert gegen die neue Mine. Darum hätten die Adani-Leute ihren Mann unter Druck gesetzt. «Sie fragten ihn, ob er nicht ein Auto brauche oder Geld. Er müsse mich nur dazu bringen, nicht mehr zum Protestkampf zu gehen.» Sunita Porte geht trotzdem. Der Adani-Bergbaukonzern ist einer der wenigen Konzerne weltweit, die Förderung, die Verarbeitung und den Handel mit Rohstoffen kontrollieren. Es sind die Konzerne, die die Verschlechterung der Einstellungs- und Arbeitsbedingungen der Bergarbeiter und ihrer Familien verantworten, aber auch die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschen zerstören. Ihre Gier nach immer mehr Profit hat zu einer massiven Umweltzerstörung wie zu einer zügellosen Ausbeutung der natürlichen Ressourcen geführt. Während sie in einem nie gekannten Kahlschlag traditionelle Bergbauregionen und hunderttausende Arbeitsplätze für immer vernichten erschließen sie gleichzeitig neue Rohstofflager mit zerstörerischer Energie ohne Rücksicht auf die Landbevölkerung, die Ureinwohner und Naturlandschaften. Die Internationale Bergarbeiterkoordinierung schreibt in ihrem Kampfprogramm: „Der Kampf der Bergarbeiter um angemessene Lebensbedingungen muss Hand in Hand gehen mit dem Kampf um den Schutz der Lebensgrundlagen. Wir leisten Widerstand gegen jedes Ausspielen der Arbeitsplätze gegen den Schutz der natürlichen Umwelt und die Spaltung, die damit einher geht. Wir brauchen beides zum Leben. Kampf der ruinösen schrankenlosen Ausbeutung und unersättlichen Jagd nach Rohstoffreserven durch die kapitalistische Produktionsweise und der Vergeudung und Verschwendung von Rohstoffen durch internationale Bergbau- und Energiekonzerne. Verbot des extraktiven Tage-Abbaus auf Kosten der Natur und der Bewohner! Weltweiter aktiver Widerstand gegen die drohende Umweltkatastrophe.“